Ein Radmarathon über 800 Kilometer – NGZ vom 12.09.2025

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Sport im Rhein-Kreis

Ein Radmarathon über 800 Kilometer

Reinhold Peters (58) aus Nievenheim beendet sein Debüt beim Race Across Germany nach insgesamt 36:47 Stunden im Rennradsattel auf dem dritten Platz. Dabei hat er bis ins Ziel in Sachsen mehr als 7500 Höhenmeter zu überwinden.

Reinhold Peters war vorbereitet, hatte in den vergangenen 18 Monaten Körper und Geist fit gemacht für den vielleicht faszinierendsten, auf jeden Fall aber strapaziösesten Radmarathon, den die Republik zu bieten hat. Aber als sich mit schon mehr als 780 Kilometern in den Beinen vor ihm das Erzgebirge mit Gegenwind und fiesen Anstiegen auftürmte, wähnte er sich knapp 25 Kilometer vor dem Ziel im falschen Film.

Dass der bald 59-Jährige, beim RSC Nievenheim eigentlich für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, am Ende zu den 30 (von 47) auf dem historischen Marktplatz in Aachen gestarteten Leidensgenossen gehörte, die das genau 806 Kilometer von der Kaiserstadt entfernte Ziel im an der polnischen Grenze gelegenen Görlitz erreichten, lag vor allem an drei Dingen: An seiner Fähigkeit, Schwierigkeiten zu überwinden, den Mitgliedern des RSC, „die mich in den vergangenen 18 Monaten immer wieder mitgezogen haben“ und am Support der Familie. Tochter Isabelle und sein ebenfalls dem Radsport aktiv verbundener Stiefsohn Maximilian, an deren Service-Fahrzeug es Verpflegung gab und die Möglichkeit, kleine Anpassungen an der Rennmaschine vorzunehmen, klebten quasi die ganze Tour über am Hinterrad.

Den ersten „Ultra-Cycling“ seiner Karriere beendete Reinhold Peters nach 36:47 Stunden (58:28 Stunden insgesamt) auf dem Rad, mit dem er 7597 Höhenmeter zu bewältigen hatte, hinter den bekannten Extremsportlern Sebastian Ansorge (45:58 und Kamil Dabrowski (56:01) auf dem dritten Platz im Gesamtklassement. In seiner Altersklasse „Supported Männer 50+“ war nur Ansorge schneller. Nicht schlecht für einen Teilnehmer mit entzündeten Achillessehnen. Ein Handikap, das ihn wohl auch die Qualifikation für das Race Across America (RAAM), das jährlich über rund 5000 Kilometer und 52.000 Höhenmeter von der Westküste der USA bis zur Ostküste verläuft, kostete.

Das Race Arcross Germany“ ist zwar drei Nummern kleiner, aber trotzdem ein echte Energieleistung. „Um diese enorme Strecke zu bewältigen, verbrauchte der Körper 14.435 Kilojoule an sportlicher Leistung, was einem aktiven Kalorienverbrauch von 18.631 Kilojoule und einem Gesamtkalorienverbrauch von 22.083 Kilojoule entspricht“, hat Peters ermittelt. Um diese Energie bereitzustellen, setzte er im Rennen auf eine spezielle Verpflegungsstrategie, nahm 40 Liter Wasser, vier Kilogramm vom Wettkampfgetränk Power Carb Drink Mix, 32 Flaschen Ensure Plus Flüssignahrung (je 400 ml) und 49 Gels Liquid Energie (je 40 ml) zu sich.

Aber das Rennen sei nicht nur eine physische, sondern auch eine mentale Herausforderung gewesen, fügte er an: „Mit einer durchschnittlichen Trittfrequenz von 81 Umdrehungen pro Minute und insgesamt 125.993 Pedalumdrehungen musste der Körper Höchstleistungen erbringen. Die Herzfrequenz pendelte bei durchschnittlich 127 Schlägen pro Minute, mit Spitzenwerten von 161. Um das Tempo zu halten, musste ich 304 Schaltvorgänge an den vorderen Kettenblättern und 4771 Schaltvorgänge an der hinteren Kassette vornehmen.“ Speziell waren zudem die äußeren Bedingungen. Weil der Verkehr natürlich ganz normal weiterlief, wurde der Nievenheimer auf der Strecke von 3794 Autos überholt.

Im ganz persönlichen Rennen gegen das vorgegebene Zeitlimit und den inneren Schweinehund nahmen die Nachtstunden, in denen die Pedaleure nur von den hellen Lichtern ihrer Fahrräder und den reflektierenden Leitpfosten der Straße begleitet wurden, eine ganz besondere Stellung ein. Peters: „Sie stehen für die Einsamkeit und die mentale Stärke, die es braucht, um die Dunkelheit zu durchbrechen. Visuelle Eindrücke, die von der Härte und der Schönheit des Ultra-Cyclings zeugen.“

Auf der Fahrt von Aachen durchs Rhein- und Siegerland mit seinen hügeligen Abschnitten, der ersten Zeitkontrolle nach 345 Kilometern in Bad Hersfeld, durch die Mittelgebirge mit Highlights wie der Wartburg bei Eisenach und der malerischen Landschaft des Thüringer Waldes hin zur zweiten Zeitabnahme in Wilsdruff im Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge, hielten kurze, aber entscheidende Stopps, in denen Peters bewusst wurde, „dass ich viel zu viel Material mitgenommen hatte, 75 Prozent davon habe ich gar nicht gebraucht“, den Akku am Laufen.

Mit dem guten Gefühl, den allerdings von üblen Gesäßschmerzen begleiteten Race Across Germany von seiner Bucket List streichen zu können, möchte sich der 58-Jährige im nächsten Jahr kürzeren Strecken zuwenden. Dann aber in den wesentlich populäreren „Nonsupported“-Wettbewerben, bei denen die Athleten auf sich allein gestellt sind.

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